Die TelefonSeelsorge Deutschland und krisenchat fordern die Bundesregierung auf, die anstehende nationale Suizidpräventionsstrategie zu nutzen, um das Unterstützungsangebot für Menschen in Lebenskrisen signifikant auszubauen und zu sichern.
Der Bundestag hat die Bundesregierung aufgefordert, bis April 2024 eine nationale Suizidpräventionsstrategie vorzulegen. Stand heute liegt diese Strategie leider immer noch nicht vor. In Fachkreisen wird erwartet und begrüßt, dass die Strategie die Einrichtung einer Koordinierungsstelle vorsieht. Mit dieser Aufgabe könnte das bestehende Nationale Suizidpräventionsprogramm für Deutschland (NaSPro) betraut werden. Gleichzeitig wird befürchtet, dass der Erhalt oder gar Ausbau von Unterstützungsangeboten für Menschen in Lebenskrisen in der Strategie nicht berücksichtigt wird.
„Um die Suizidrate in Deutschland zu senken und Leben zu retten, ist es entscheidend, die bestehenden Angebote auszubauen und zu sichern. Es gibt Angebote, die derzeit vor dem Aus stehen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Die Strategie muss den Weg dafür ebnen, dass für die heute weitgehend zivilgesellschaftlich getragenen Beratungsangebote in erheblichem Umfang öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden,“
…so Kai Lanz, Mitgründer und Geschäftsführer des Online-Beratungsangebots krisenchat.
Es bedarf anonymer, kostenloser und niederschwelliger Strukturen, um Menschen mit Suizidgedanken zu erreichen und ihnen zu helfen.
„Dafür ist die kurzfristige Erreichbarkeit über alle vorhandenen Kommunikationswege entscheidend. Die verfügbaren Angebote müssen Ratsuchenden den Kontakt erleichtern, sie dürfen keine zusätzliche technische oder psychologische Hemmschwelle darstellen,“
sagt Helmut Ellensohn, Vorsitzender der TelefonSeelsorge Deutschland. Menschen in Krisen beizustehen ist die Aufgabe von Beratungs- und Seelsorgeangeboten wie TelefonSeelsorge und krisenchat, aber auch von weiteren Angeboten.
Sie erreichen unterschiedliche Zielgruppen und unterscheiden sich auch in den Kommunikationsformen. Gemeinsam ist ihnen, dass das Thema Suizid in vielen Beratungen eine Rolle spielt. Damit leisten sie einen fundamental wichtigen Beitrag zur Suizidprävention in Deutschland. Das wollen sie auch in Zukunft tun – doch derzeit drohen Beratungsangebote wegzubrechen. Denn es fehlt an finanziellen Mitteln. Es gibt keine verlässliche staatliche Förderung im Bereich der Suizidprävention in Deutschland. Dabei ist der Bedarf enorm – eigentlich müssten die Kapazitäten dringend ausgebaut werden. Im Jahr 2022 ist die Zahl der Suizide in Deutschland um 10 Prozent gestiegen.
„Im Jahr 2023 hat krisenchat knapp 3.500 Hilfesuchenden geholfen, die angaben, unter Suizidgedanken und Suizidkrisen zu leiden. Das sind fast 20% aller Hilfesuchenden bei krisenchat und die Tendenz der neuen Fälle, die sich mit suizidalen Gedanken und suizidalen Krisen an krisenchat wenden, ist steigend. Suizid ist die zweithäufigste Todesursache bei jungen Menschen zwischen 10 und 25 Jahren und viele dieser Menschen erhalten keine Hilfe: Aufgrund der hohen Nachfrage können wir viele Hilfesuchende nicht beraten und das gesamte psychosoziale Versorgungssystem ist überlastet. Deshalb ist es wichtig, jetzt zu handeln,” betont Kai Lanz.
Noch deutlich höher liegen die Zahlen bei der Telefonseelsorge. Hier wurden in mehr als 108.000 von insgesamt rund einer Million Beratungsgesprächen Suizidgedanken oder -absichten geäußert. Zusammen hatten krisenchat und TelefonSeelsorge im Jahr 2023 rund 111.500 Kontakte zu Menschen in suizidalen Krisen. Um die Suizidprävention in Deutschland erfolgreich zu stärken, bedarf es daher öffentlicher Mittel zur Sicherung und zum Ausbau der Beratungsangebote.